Wir holen junge Spanier nach München
Presseartikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
BMW-Personalvorstand Caiña-Andree
„Wir holen junge Spanier nach München“
31.05.2013 · Milagros Caiña-Andree ist seit einem Jahr Personalvorstand von BMW. Jetzt startet die Spanierin ein Pilotprojekt für arbeitssuchende Landsleute. „Deutschland müsse ein Einwanderungsland werden,“ sagt sie.
Frau Caiña-Andree, Sie sind als Vierjährige aus Galicien ins Sauerland gekommen, hatten als Gastarbeiterkind nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine Managerkarriere. Heute sind Sie Personalvorstand von BMW. Wie geht das?
Meine Eltern haben sehr darauf geachtet, dass ich in Deutschland schnell integriert werde, gleichzeitig aber meine spanischen Wurzeln, die spanische Kultur erhalten bleiben. Neben einer deutschen besuchte ich auch eine spanische Schule. Das hat mir geholfen und war damals in einer Kleinstadt im Sauerland keine Selbstverständlichkeit. In meinem Gymnasium waren unter 1000 Schülern nur zwei Ausländer. Am Anfang meiner Berufslaufbahn hat mir meine Zweisprachigkeit Chancen eröffnet. Und dann war sicherlich auch etwas Glück dabei.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat in Madrid dafür geworben, 5000 spanische Jugendliche als Auszubildende nach Deutschland zu holen. Was halten Sie davon?
Deutschland braucht Fachkräfte, schon heute gibt es Mangelqualifikationen. Den Ansatz von Frau von der Leyen, gezielt Zuwanderung zu fördern, finde ich richtig. Damit ist aber auch die Verantwortung verbunden, nicht nur Arbeitskräfte aus dem Ausland abzuwerben und dadurch insbesondere in Schwellenländern einen Braindrain zu verursachen. Die anderen Länder müssen auch einen Nutzen davon haben.
Welchen denn?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir starten im September bei BMW ein Pilotprojekt, in dem wir 25 Spanier im Alter von 18 bis 25 Jahren nach München holen und sie hier ein Jahr lang ausbilden. Sie sollen in die deutsche Kultur eintauchen, womöglich auch bei einer BMW-Gastfamilie wohnen und bei uns in der Entwicklung, im Vertrieb, im Marketing oder einem anderen Bereich arbeiten. Danach können diese jungen Menschen wieder in ihre Heimat zurückgehen – oder hierbleiben. Solche Projekte könnten wir natürlich auch für Italiener oder Griechen anbieten. Wir möchten diesen Ländern, in denen wir ja auch unsere Autos verkaufen, etwas zurückgeben.
Was sagen Sie als Spanierin, wie groß ist der Auswanderungsdruck in Ihrem Heimatland?
Bewerbungen aus Europas Krisenländern haben insgesamt stark zugenommen. Viele kommen aus Spanien, aber auch aus Italien und Griechenland. Allein im vergangenen Jahr haben wir bei BMW in Deutschland über 4000 Bewerber eingestellt, davon kamen fast 700 aus dem Ausland, so viel wie nie zuvor.
Bisher hält sich gerade der Zulauf von Akademikern in Grenzen.
Nicht nur von Akademikern, auch von Facharbeitern. Deutschland hat sich bisher nicht als Einwanderungsland verstanden, das muss sich ändern. Es müssen sich aber auch die Rahmenbedingungen ändern, von leichteren Aufenthaltsgenehmigungen bis hin zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Es ist gar nicht so trivial für einen Nicht-EU-Bürger, hier eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Als Unternehmen wollen wir diesen Wandel unterstützen, beispielsweise durch unser spanisches Pilotprojekt. Wir glauben, dass Bildung der Schlüssel zur Integration ist.
Nach Berechnungen von Statistikern wird es schon 2025 rund 6 Millionen Menschen weniger im erwerbsfähigen Alter geben. Was glauben Sie, wo liegt 2025 das Renteneintrittsalter?
Das fällt mir schwer zu prognostizieren. Für BMW, und wir sind ja Spiegelbild der Gesellschaft, ist die demographische Entwicklung vorhersehbar: Bis zum Jahr 2020 steigt das Durchschnittsalter von heute 43 auf 46 Jahre und der Anteil der über Fünfzigjährigen steigt von 25 auf 45 Prozent. Fakt ist aber auch, dass wir schon heute sehr viele rüstige Rentner haben, die gar nicht zu Hause bleiben wollen.
Sie planen also noch ein Pilotprojekt für rüstige Rentner…
…nein, aber wir wollen älteren Mitarbeitern ermöglichen, länger im Unternehmen zu arbeiten. Das setzt voraus, dass ihre Leistungsfähigkeit und auch ihre Motivation erhalten bleiben. Unser Programm „Heute für morgen“, in dem BMW den Auswirkungen des Alterungsprozesses in der Produktion entgegenwirkt, ist ein Beispiel. Schon heute ist ein Viertel der Produktionsarbeitsplätze altersgerecht gestaltet, und noch vor dem Jahr 2020 wird es jeder dieser Arbeitsplätze sein.
Für die 350 oberen Führungskräfte von BMW wird die starre Altersgrenze von 60 auf 62 Jahre angehoben. Reicht das?
Wir entwickeln uns weiter. Wir wollen wertvolles Knowhow länger im Unternehmen halten, deshalb haben wir schon seit einiger Zeit keine generelle feste Altersgrenze mehr. Wir suchen vielmehr flexible und individuelle Lösungen für den Zeitpunkt, an dem obere Führungskräfte ausscheiden. Das kann personen- oder situationsbedingt mal früher oder mal später sein.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding will die Quote für Europa, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen für Deutschland. Wollen Sie eine für BMW?
Nein, ich bin nicht überzeugt von einer Frauenquote, sondern von einer Frauenförderung. Eine Quote schert alle Unternehmen über einen Kamm. Aber es ist nun einmal so, dass es manchen Branchen leichter fällt, weibliche Führungskräfte anzuziehen als anderen. BMW muss Frauen gerade in der technischen Berufsausbildung fördern, und das ist ungleich schwieriger, weil es dort weniger weibliche Interessenten gibt. Wir haben uns dazu verpflichtet, den Frauenanteil in den technischen Ausbildungsberufen auf 20 Prozent zu erhöhen, und haben bereits 18,5 Prozent erreicht. Bei den Akademikern, die zum Beispiel in unsere Management-Nachwuchsprogramme einsteigen, liegt der Frauenanteil schon bei über 35 Prozent.
Im „Frauen-Karriere-Index“ von Familienministerin Kristina Schröder steht BMW für einen männlich dominierten Autokonzern überraschend weit oben.
Stimmt, weil wir uns auch viel vorgenommen haben. Wir bieten schon heute ein sogenanntes 100-Tage-Coaching an, in dem wir mehrere hundert Frauen auf Führungsaufgaben im Unternehmen vorbereiten. Wir schulen Personalverantwortliche, noch stärker nach weiblichen Talenten im Unternehmen zu suchen. Und schon seit zehn Jahren gibt es ein Frauen-Netzwerk bei BMW.
Welche Anreizsysteme gibt es, um den Frauenanteil auf Leitungsebene zu steigern?
Ganz wichtig ist es für BMW, dass unsere Mitarbeiter Beruf und Privatleben miteinander vereinbaren können, und zwar Frauen wie Männer. Dazu haben wir über 300 Arbeitszeitmodelle, von denen einige für unterschiedliche Lebensphasen entwickelt sind. Im Herbst eröffnen wir eine Kindertagesstätte mit 220 Plätzen in München. Und das machen wir nicht nur in Deutschland, sondern auch an anderen Standorten wie zum Beispiel Südafrika.
Daimler ist wegen angeblicher Dumping-Löhne für Beschäftigte mit Werkverträgen ins Gerede gekommen. Können Sie das für BMW ausschließen?
Das sollte bei uns so nicht passieren. Natürlich gibt es auch bei BMW Werkverträge. Diese Werkverträge durchlaufen bei uns allerdings einen Prozess, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Und wir verpflichten unsere Vertragspartner, die Beschäftigten angemessen zu bezahlen, auch wenn sie gar nicht tarifgebunden sind. Das überprüfen wir auch regelmäßig.
In einer Betriebsvereinbarung mit den Arbeitnehmervertretern hat sich BMW verpflichtet, 3000 fest einzustellen. So berauben Sie sich der Flexibilität in Krisenzeiten.
Nein! Wir haben eine umfassende Betriebsvereinbarung abgeschlossen mit dem Ziel mehr Flexibilität zu haben. Sie heißt intern auch „Flex-Vereinbarung“ und ist ein Stufenplan mit zahlreichen Maßnahmen. Jetzt können wir zum Beispiel in Boomphasen Pausen durcharbeiten und in Krisenzeiten Schichten verkürzen, ohne darüber mit den Arbeitnehmervertretern jedes Mal aufs Neue alle Details verhandeln zu müssen. Darum beneiden uns andere Autohersteller.
BMW verdient glänzend, die Mitarbeiter erhalten hohe Sonderprämien und können sich im Erfolg sonnen. Ist es der Fluch der guten Zahlen, wenn aus Zufriedenheit Bequemlichkeit wird?
Unsere Mitarbeiter wissen, dass der Erfolg momentan vor allem den guten Geschäften in Übersee und Asien geschuldet ist. Und sie können auch jeden Tag in der Zeitung lesen, dass die Dynamik in manchen Märkten nachlässt und andere Wettbewerber ebenfalls gute Autos bauen. Aber ich glaube, das spornt sie noch weiter an, denn der Drang, der Beste zu sein, steckt in den Genen der BMW-Mitarbeiter.