„Opfer unseres eigenen Erfolgs“
Auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit ist die Welt noch in Ordnung. Drei junge Menschen strahlen übers ganze Gesicht und werben im Ausland unter dem Motto „The job of my life“ entweder für eine duale Berufsausbildung oder eine qualifizierte Beschäftigung als Fachkraft in Deutschland. „Blicke Experten über die Schulter und verbessere deine Fähigkeiten Schritt für Schritt. Und das Beste ist: Du bekommst auch noch Geld dafür“, heißt es weiter auf der Seite, die sich vor allem an arbeitslose Jugendliche in den EU-Krisenländern des Südens wendet und sie ermuntert, ihr Heimatland zu verlassen, nach Deutschland zu kommen und mit staatlicher Förderung die deutsche Sprache zu erlernen und einen Job anzunehmen.
Bislang 9000 Förderungen
Nichts deutet darauf hin, dass das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgelegte Sonderprogramm zur „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa“ (MobiPro-EU) derzeit auf Eis liegt. Erst wenn man auf den Button „Aktuelle Info beachten!“ klickt, erfährt man, dass seit dem 8. April keine neuen Anträge mehr für das Jahr 2014 angenommen werden können.
„Wir sind, wenn man so will, Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden“, sagte eine Sprecherin der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit gestern gegenüber unserer Zeitung. Bis Ende März hätten bereits fast 9000 junge Menschen aus Spanien, Portugal oder Griechenland eine Förderung aus dem Sonderprogramm beantragt.
„Das sind sehr viel mehr, als wir erwartet haben.“ So habe man anfangs mit einigen hundert, maximal tausend Anträgen gerechnet, wegen des großen Erfolgs stockte die Bundesregierung die Mittel von ursprünglich 140 Millionen auf 359 Millionen Euro auf, zudem wurde die Laufzeit bis 2018 verlängert. So erhalten die jungen Leute Zuschüsse für einen Deutschkurs in ihrer Heimat und für den Umzug sowie 618 Euro pro Monat zum Lebensunterhalt.
Sowohl das Arbeits- und Sozialministerium wie auch die Bundesagentur für Arbeit wiesen Medienberichte zurück, wonach wegen der Einstellung der Förderung junge Spanier in Deutschland gestrandet seien, auf der Straße stünden und mit 200 Euro Praktikumshonorar auskommen müssten. „Jeder junge Mensch, dessen Antrag von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung genehmigt worden ist, wird bis zum Ende der Förderkette gefördert“, hieß es auf Nachfrage in der Bundesagentur. „Niemand steht auf der Straße.“ Es würden lediglich derzeit keine neuen Anträge bearbeitet. Eine Bewilligung könne erfolgen, wenn weitere Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt würden. „Bis dahin werden die eingehenden Anträge ruhend gestellt und die Antragstellerinnen und Antragsteller umgehend darüber informiert.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Juli vergangenen Jahres auf einem internationalen Gipfel im Kanzleramt der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa den Kampf angesagt und die Bereitschaft Deutschlands unterstrichen, jungen Menschen aus den EU-Partnerländern eine berufliche Perspektive zu bieten.
Grüne fordern schnelle Hilfe
Die damalige Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) war sogar nach Spanien gereist, um Werbung für das deutsche Förderprogramm zu machen. „Wenn junge Menschen im Süden Arbeit und Ausbildung suchen, und im Norden Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze frei sind, dann lasst uns das zusammenbringen“, sagte von der Leyen damals. „Deswegen ermuntere ich gerade die jungen Menschen in Südeuropa: Kommt zu uns!“
Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen im Bundestag Brigitte Pothmer forderte die Bundesregierung gestern auf, die Jugendlichen aus Südeuropa bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einem Job in Deutschland weiter zu unterstützen. Die Einstellung der Förderung führe „zur bitteren Enttäuschung“ bei den Betroffenen, sagte sie und forderte eine „schnelle, unbürokratische Hilfe“. Es dürfe nicht sein, dass „die jungen Europäerinnen und Europäer mit riesigen Schuldenbergen und ohne Ausbildung wieder in die Heimat fliegen müssen“, obwohl sie teilweise bereits Ausbildungsverträge mit deutschen Unternehmen hätten.
Quelle: © Mannheimer Morgen, 15.04.2014